Die geheimnisvolle Insel Teil 9
5.
Überraschung
Als Morris zu den drei anderen zurückkehrte, hatte sich sein Gesicht verfinstert.
„Was ist los mit ihnen?“, fragte Kat, der die Veränderung zuerst auffiel.
„Stapleton hat die Butchermen geholt“, sagte er kurz angebunden, von dem Gespräch, das sein Schwager mit Weston geführt und das er belauscht hatte, erwähnte er nichts, obwohl ihm die Wut den Hals zu schnürte. Er hatte für vieles Verständnis, in schweren Zeiten drückte man ein Auge zu, manchmal zwei, aber dass Stapelton mit dem üblen Weston gemeinsame Sache machte, war eindeutig zu viel.
„Wir gehen zurück“, sagte Morris, „ich denke, die Soldaten kehren in die Garnison zurück und setzen ihre Suche später fort.“
Der Morgen dämmerte, als John und die Anderen den Rückweg durch die Gänge antraten. Im Hellen war es einfacher im geschäftigen Treiben von Porto Verde unterzutauchen.
„Was tun wir jetzt?“, fragte Kat John atemlos.
Es fiel ihr schwer mit den langen Schritten des Quartiermeisters mitzuhalten.
„Wir machen uns aus dem Staub“, erwiderte er, „wir haben Halpin, die Karte und dieses komische rosa Ding.“
„Stimmt“, stellte Morris fest, „wir sollten weit weg sein, wenn die Butchermen hier eintreffen.“
„Wir!“
John wollte gerade eine harsche Erwiderung ausstoßen, als Halpin ihm den Ellenbogen zwischen die Rippen stieß.
„Stemm dich nicht gegen das Schicksal, Junge. Jede Begegnung hat ihren tieferen Sinn“, orakelte er.
John schüttelte unwillig den Kopf, sagte aber nichts.
„Da ist der Ausgang“, sagte Morris.
Sie gelangten problemlos auf die Straße. John ging voran. Er wollte so schnell wie möglich zurück auf die Farragut. Die Gruppe verließ die Stadt in westlicher Richtung. Ein paar Meilen weiter lag ihr Ruderboot.
Nach gut einer Stunde erreichten sie das Boot.
Kat kletterte ins Boot während die Männer es ins Wasser schoben.
„Ich rudere!“, sagte Morris und schwang sich zuerst in das Ruderboot.
Sie ruderten einige Meilen die Küste entlang als Halpin hinter einigen Bäumen Masten ausmachte.
„Geschickt versteckt in der kleinen Bucht“, sagte Halpin zu John und grinste breit.
Kurze Zeit später machten sie das Boot längsseits fest und kletterten die Strickleiter hoch.
„Wo warst du so lange?“, polterte die Stimme von Captain Bolger über das Deck.
„Wir hatten Probleme mit ein paar Soldaten und mussten uns verstecken, Captain, antwortete John. „Aber dafür habe ich eine gute Nachricht für euch.“
John gab Kat ein Zeichen, dass sie verschwinden sollte. Sie reagierte auch sofort und verschwand unter Deck.
„Wer sind die Beiden?“, fragte Bolger.
„Der alte Mann ist Teil der Nachricht und der Andere hat uns drei gerettet“, antwortete John.
„Man nennt mich Morris“, sagte der Leftenant. „Ich hatte eben Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, Captain.“
„Also Mister DeMoor, was für eine Nachricht?“, fragte der Captain.
„Lassen sie uns in ihre Kabine gehen. Der alte Mann muss mit.“
John schaute zu Morris: „ Such dir Arbeit an Deck bis eine Entscheidung getroffen wurde, was mit dir passiert.“
Kurz danach saß der Captain an seinem Schreibtisch, während John und Halpin davor standen.
„Was gibt es zu berichten, dass wir hier in der Kabine reden müssen?“
„Captain, Halpin hier ist im Besitz einer Karte.“
„Einer Karte?“ Bolger haute mit der Faust auf den Tisch. „Ich brauche niemanden, der eine Karte eines Schatzes vom Captain X oder Y hat.“
„Es ist kein Schatz, Captain“, antwortete John. „Mehr eine Waffe. Sie könnte uns helfen gegen Captain Black. Halpin, zeig dem Captain, was du mir gezeigt hast.“
Halpin griff in die Tasche und holte den kleinen Sack hervor. Er schüttete den Inhalt auf den Tisch. Der Haufen violett farbener Kügelchen formierte sich und schien sich umzuschauen. Halpin packte das Gebilde wieder in das Säckchen.
„Soll das die Waffe sein?“, sagte Bolger und schaute Halpin fragend an.
Der Alte lachte.
„Das ist eine Kuriosität, wenn ihr es so nennen mögt“, in seinen Augen blitze es listig, „wenn du gegen den schwarzen Herzog antreten willst, wird dieses kleine Ding wohl kaum ausreichen.“
Captain Bolger blickt ungehalten von einem zum anderen. Er hatte nie Grund gehabt an John DeMoor zu zweifeln, aber dieser verrückte Alte, dass war eine Spur zu viel.
„Was erzählst du da Alter?!“, polterte er. Er rückte seinen Stuhl nach hinten der mit einem heftigen Poltern umfiel. „Soll ich dich über die Planken laufen lassen, um dich zu Verstand zu
bringen.“
John überlegte sich vor Halpin zu stellen und ihn gegen den Captain in Schutz zu nehmen. Doch der alte Mann zeigte eine erstaunliche Reaktion.
„Erzähl du mir nichts über das Planken laufen, little Andrew!“, fuhr er den massigen Seemann an und schlug mit der Faust auf den Schreibtisch, „hätte ich dich vor 40 Jahren nicht aus dem Wasser
gefischt, wärst du gar nicht mehr am Leben!“
Bolger schnappte nach Luft.
„Sie sind Lance Valmont!“, stotterte er, „Captain Lance Valmont.“
Halpin sagte nichts, lächelte nur.
„Sie sind seit 30 Jahren mit der Mannschaft der Aurora vermisst“, flüsterte Bolger, „alle halten sie für tot.“
„Das ist eine Ewigkeit her“, Valmont zog die Schultern hoch, „ich bin meine eigene Legende geworden.“
„Und eine sehr lebendige dazu. Wie mir scheint“, sagte John, der den Alten unverhohlen anstarrte. Jeder Seemann kannte die Geschichte der Aurora. „Warum diese Verkleidung? Der andere Namen?“
Valmont seufzte und sah in nachdenklich an.
„Wenn du erlebt hättest, was ich erlebt habe, hättest du vielleicht dasselbe getan.“
Vor dem geistigen Auge des alten Mannes zogen Bilder ungeheuerlichster Ereignisse und grotesker Schrecken vorbei, die ihn in den letzten drei Jahrzehnten ereilt hatten und die er, zu seinem eigenen Erstaunen, überlebt hatte. Alles nahm seinen Anfang auf der „roten Insel“. Er musste unbedingt dorthin zurück und das Undenkbare versuchen – die Zeit zurückzudreh